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Den Artgrenzen auf der Spur: Hybridisierungsmuster von zwei Schlangenarten liefern neue Einsichten

München, 15.02.2024

Was ist eigentlich eine Art? Diese uralte Frage lässt sich bis heute nicht universell beantworten, aber die Erforschung konkreter Fallbeispiele trägt zu einem besseren Verständnis bei. Ein Forschungsteam der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) und der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden hat die Hybridzone von zwei Ringelnatterarten im bayerischen Priental untersucht. Obwohl sich diese Arten fruchtbar kreuzen können, beschränkt sich die Hybridzone im Wesentlichen auf eine Breite von nur wenigen Kilometern. Die Studie ist heute in der Fachzeitschrift Salamandra – German Journal of Herpetology erschienen.

Wenn die Verbreitungsgebiete von zwei, nahe verwandten Tierarten aneinanderstoßen, bilden sie an diesen Grenzen oft Hybridzonen aus, in denen sich beide Arten miteinander kreuzen. In manchen Fällen können sich deren Nachkommen sogar weiter fortpflanzen. Diese Vermischung ist allerdings oft räumlich sehr begrenzt. Schmale Hybridzonen deuten darauf hin, dass die Vermischung der beiden Arten erheblich eingeschränkt ist und können als Beleg für das Vorhandensein von Artgrenzen dienen.

Das Forschungsteam aus München und Dresden hat in einer neuen Studie das Gebiet, in dem die Italienische Barrenringelnatter (Natrix helvetica sicula) und die Ringelnatter (Natrix natrix) aufeinan- dertreffen, genauer untersucht. Um die Hybridzone der beiden Schlangenarten genauer zu verstehen, untersuchte das Team zwei genetische Marker (DNA aus den Mitochondrien und Mikrosatelliten aus dem Zellkern) und die Zeichnungsmuster auf Kopf und Körper von 49 Nattern aus dem Priental. Dabei stellte sich heraus, dass im oberen Priental vor allem reine oder fast reine Barrenringelnattern vorkommen, im unteren Priental zum Chiemsee hin dagegen reine oder fast reine Ringelnattern.

„Die hauptsächliche Hybridisierungszone liegt in einem nur vier Kilometer breiten Abschnitt um den Ort Aschau im zentralen Priental und ist damit deutlich enger als wir erwartet hatten“ sagt Erstautor Adrian Neumann, der diesem Thema seine Bachelorarbeit an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) gewidmet hat.

„Unsere genetischen Datensätze und die Zeichnungsmuster der Nattern bestätigen unabhängig voneinander eine extrem enge Hybridzone. Das deutet auf eine starke negative Selektion der Hybriden und eine Stabilisierung der Hybridzone durch Umweltgradienten hin. Die Hybriden könnten zum Beispiel weniger lebensfähige Nachkommen haben“, ergänzt Prof. Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.

„Unsere Ergebnisse bestätigen sehr deutlich, dass sich Ringelnatter und Barrenringelnatter fruchtbar miteinander fortpflanzen können. Dennoch kommt es hier nicht zu einer großflächigen, diffusen Vermischung beider Formen. Das zeigt uns einmal mehr, dass es sich hier um zwei verschiedene Arten handelt“ sagt Dr. Frank Glaw, Kurator für Reptilien und Amphibien an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM). „Bis heute wird in der Schule oft noch das biologische Artkonzept gelehrt, wonach zwei Individuen zu einer Art gehören, wenn sie fruchtbare Nachkommen haben können. Doch dieses Konzept ist längst überholt. Eisbären und Grizzlybären, aber auch viele Katzenarten wären beispielsweise nach dem biologischen Artkonzept streng genommen keine unterschiedlichen Spezies, denn in der Natur kommt es immer wieder zu fruchtbaren Hybridisierungen zwischen diesen Arten.“
Aber wie sonst kann man Arten definieren? „Eine mögliche Antwort ist, dass sich Arten im Evolutionsverlauf weitgehend unabhängig voneinander entwickeln, wodurch sie sich durch eine Kombination von genetischen und morphologischen Unterschieden und oft auch über ein relativ scharf begrenztes Verbreitungsgebiet mit engen Hybridzonen definieren lassen“, resümiert Prof. Uwe Fritz.

Diese Kriterien erfüllt auch die Barrenringelnatter (Natrix helvetica), die bis zum Jahr 2017 noch als Unterart der weit verbreiteten Ringelnatter (Natrix natrix) betrachtet wurde. Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass die Italienische Barrenringelnatter nach der letzten Eiszeit die Alpen erfolgreich überquert hat, dann aber offenbar am nördlichen Alpenrand auf die Ringelnatter traf und von ihr gestoppt wurde.

Publikation:
Neumann, A., M. Asztalos, U. Fritz & F. Glaw (2024):
A spotlight on the hybrid zone of grass snakes (Natrix helvetica sicula and Natrix natrix) in southern Bavaria
– the Prien Valley. – Salamandra, German Journal of Herpetology 60 (1): 17-28.
http://www.salamandra-journal.com/index.php/contents/2024-vol-60/2139-neumann,-a-,-m-asztalos,-u-fritz-f-glaw/file

Kontakt:
Dr. Frank Glaw
Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
Münchhausenstraße 21,
81247 München
Tel.: 089/8107-114
E-Mail: glaw@snsb.de

Adrian Neumann
E-Mail: adriantneumann@gmail.com

March 2024: Trilobite, Dicranurus monstrosus

(BARRANDE 1952)

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Melanie Altner, München

Historische Blattflohsammlung der Zoologischen Staatssammlung München erweist sich als wertvoller Schatz für die Wissenschaft

München, 08.11.2023

Eine historische Blattflohsammlung des deutschen Forstwissenschaftlers Theodor Hartig aus den Jahren 1834 bis 1851 wurde vor Kurzem in der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) wiederentdeckt und analysiert. Die Sammlung erwies sich nun als wissenschaftlich äußerst wertvolles Archiv sogenannter Originalbelege vieler Blatt- und Schildlausarten. Artenforscher aus Kanada, den USA und Deutschland veröffentlichten ihre Erkenntnisse jetzt im zoologischen Fachjournal Zootaxa

Naturkundliche Sammlungen wachsen historisch über sehr lange Zeiträume, so auch die Zoologische Staatssammlung München – dort werden seit über 200 Jahren Tierpräparate gesammelt, aufbewahrt, archiviert und wissenschaftlich bearbeitet. Insgesamt lagern inzwischen über 23 Millionen Sammlungsexemplare in den Münchner Magazinen. Erst kürzlich entdeckten Wissenschaftler:innen dort eine vor 150 Jahren aus den Augen verlorene Kleinsammlung von Blattflöhen des deutschen Forstwissenschaftlers Theodor Hartig (1805-1880) wieder. 155 kleine Blattflöhe versteckten sich offenbar seit über 100 Jahren getrocknet und sicher aufbewahrt in den Beständen der ZSM – um sich nun als wissenschaftliche Schätze für die Artenforscher:innen zu erweisen.

Eine kürzlich veröffentlichte Forschungsarbeit um Bryan Brunet vom Ottawa Research and Development Centre, Kanada mit Beteiligung von Michael Raupach, Kurator für Hemiptera an der Zoologischen Staatssammlung München belegt den wissenschaftlichen Wert der historischen Blattflohsammlung. Die Sammlung enthält sogenannte Primärtypen für 29 Arten, die einst von Hartig beschrieben wurden. Sieben davon sind nur durch ein einziges Exemplar vertreten, diese werden als Holotypus bezeichnet.

Sogenannte zoologische „Typen-Exemplare“ sind Originalbelege von Tieren, die Artenforscher:innen als Grundlage für die Beschreibung bisher unbekannter Arten dienen. In der Zoologie ist es (wie auch in der Botanik) üblich, dass jede neu entdeckte Art von den Beschreiber:innen anhand eines solchen „Typus-Exemplars“ belegt wird. So hat auch der bedeutende Forstwissenschaftler und Blattflohforscher Theodor Hartig in den Jahren 1834 bis 1851 zahlreiche neue Blatt- und Schildlausarten in mehreren Publikationen wissenschaftlich beschrieben. Die Original-belege bzw. Referenzexemplare der Insekten galten allerdings nach seinem Tod 1880 als verschollen. Wie sich nun gezeigt hat, gelangte die winzige Blattflohsammlung offenbar zusammen mit der Hautflügler-Sammlung Hartigs durch den ehemaligen ZSM Kurator Joseph Kriechbauer (1819-1902) unerkannt in die Bestände der ZSM.

Die nun erfolgte Identifizierung der Blatt- und Schildlausarten gelang insbesondere mit Hilfe von Hartigs historischen Tagebuchaufzeichnungen – eine wahre Detektivarbeit. Heinz-Otto Rehage vom LWL-Museum für Naturkunde mit Planetarium Münster entschlüsselte hierfür eine von Hartig selbst entwickelte spezielle Farb- und Zahlenkodierung.

„Unsere Detektivarbeit hat sich gelohnt. Hartigs Blatt- und Schildlaussammlung ist von großem wissenschaftlichem Wert für uns Artenforscher. Physische Belegexemplare – egal wie alt – sind für unsere Forschung unerlässlich. Sie konservieren nicht nur die sichtbaren Merkmale des jeweiligen Insekts, sondern oft auch mikroskopische Details oder mit etwas Glück sogar noch molekulare Informationen, wie alte DNA-Fragmente. Die sichere und fachgerechte Aufbewahrung insbesondere von Typusexemplaren in naturhistorischen Sammlungen ist Kern unserer Arbeit. Kurator:innen kommen und gehen, die Sammlungen bleiben“, so Michael Raupach von der ZSM, Co-Autor der Studie.

Publikation:
Bryan M.T. Brunet, Michael J. Raupach, Heinz-Otto Rehage, Nathan P. Havilli, Robert G. Foottit (2023) Discovery of the primary aphid (Hemiptera: Aphidomorpha) and scale insect (Hemiptera: Coccomorpha) type specimens from the collection of Theodor Hartig (1805-1880). Zootaxa 5369 (1): 089–116

Die historische Blattflohsammlung sowie das Tagebuch des deutschen Forstwissenschaftlers Theodor Hartig (1805-1880). (Foto: ZSM)

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfügung.

Röhrenschildläuse (Aphididae) aus der historischen Blattflohsammlung des deutschen Forstwissenschaftlers Theodor Hartig (1805-1880). (Foto: ZSM)

Kontakt:

PD Dr. Michael Raupach
SNSB – Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstr. 21, 81247 München
Tel: 089 8107 145
E-Mail: raupach@snsb.de

Neue globale Gefährdungseinschätzung der Amphibien

München, 04.10.2023
Ein großes internationales Forscherteam hat die Gefährdung von mehr als 8.000 Amphibienarten untersucht. Die Ergebnisse wurden heute in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Koautor und SNSB-Zoologe Frank Glaw hat bei der Bewertung der Amphibien Mada- gaskars mitgearbeitet, wo fast 5% der weltweiten Amphibienarten leben.

Die Zerstörung von Lebensräumen und neuartige Krankheiten sind gut belegte Ursachen für den weltweiten Rückgang der Amphibien, die zu den am stärksten bedrohten Tiergruppen zählen. Nach der neuen Studie, die von der „Amphibian Red List Authority“ der IUCN (International Union for Conservation of Nature) koordiniert und von der Naturschutzorganisation Re:wild gemanagt wurde, entwickelt sich aber auch der Klimawandel immer mehr zu einer großen Bedrohung für Frösche, Salamander und Blindwühlen.

Die Arbeit bewertet das Aussterberisiko von mehr als 8.000 Amphibienarten aus aller Welt und kommt zu dem Ergebnis, dass rund 41% vom Aussterben bedroht sind. Zum Vergleich: Bei den Säugetieren sind es 26,5 %, bei den Reptilien 21,4 % und bei den Vögeln 12,9 %.

„Der Schutz und die Wiederherstellung der Wälder ist nicht nur für den Erhalt der biologischen Vielfalt, sondern auch für die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung“, sagte Jennifer Luedtke Swandby, Koordinatorin der Red List Authority der IUCN SSC Amphibian Specialist Group und Erstautorin der Studie. „Die Zerstörung und Verschlechterung von Lebensräumen durch die Landwirtschaft wie Ackerbau, Viehhaltung und Waldbau, die Entwicklung von Infrastruktur und anderer Industriezweige bleibt nach wie vor die häufigste Bedrohung und betrifft 93 % aller bedrohten Amphibienarten. Ein erweiterter Schutz der Lebensräume der Tiere und ihrer Verbindungskorridore, besonders in den Hotspots der Artenvielfalt, wird weiterhin von entscheidender Bedeutung sein.“

Diese Einschätzung teilt auch Frank Glaw, Kurator für Amphibien und Reptilien an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), der seit mehr als 30 Jahren die Frösche von Madagaskar erforscht. „Der fortschreitende Klimawandel wird in Zukunft wohl immer stärker zur Gefährdung der Biodiversität beitragen. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die andauernde Lebensraumzerstörung in Madagaskar und anderen Ländern noch immer bei weitem die größte Bedrohung für die Artenvielfalt darstellt. Wenn es nicht gelingt, einen erheblichen Teil der verbliebenen Regenwälder und Trockenwaldgebiete zu erhalten, könnten viele Spezies bereits ausgestorben sein, bevor die Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt deutlich spürbar werden.“

Fast 5% der weltweiten Amphibienfauna (derzeit 418 bekannte Arten) lebt ausschließlich auf Madagaskar und viele weitere bereits entdeckte Arten warten dort noch auf ihre wissenschaftliche Erstbeschreibung. Erst nach der taxonomischen Namensgebung kann auch eine Gefährdungseinstufung dieser Arten in der Roten Liste der IUCN erfolgen.

An der Studie waren über 100 Wissenschaftler:innen aus aller Welt beteiligt. Über viele Jahre lange erforschten die Expert:innen den Gefährdungsstatus der Amphibien auf allen Kontinenten der Erde. Die nun in der Fachzeitschrift Nature erschienene Publikation stellt eine Aktualisierung der ersten globalen Gefährdungseinschätzung der Amphibien aus dem Jahr 2004 dar.

Publikation:
Luedtke, J.A., Chanson, J., Neam, K. et al. Ongoing declines for the world’s amphibians in the face of emerging threats. Nature (2023).

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfü- gung.

Kontakt:

Dr. Frank Glaw
SNSB – Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
Münchhausenstraße 21,
81247 München
Tel: +49 151 65100 553
E-Mail: glaw@snsb.de

Training für den Weltraum: Astronaut:innen üben Geologie im Nördlinger Ries

Nördlingen, 25.09.2023
Auch 2023 war das Nördlinger Ries mit dem RiesKraterMuseum der SNSB und dem ZERIN (Zentrum für Rieskrater- und Impaktforschung Nördlingen) wieder einer von drei Trainingsorten im Rahmen des PANGAEA-Astronautentrainings der Europäischen Weltraumorganisation ESA (PANGAEA: Planetary Analogue Geological and Astrobiogical Exercise for Astronauts).

Die Teilnehmer:innen des ESA-PANGAEA-Astronautentrainings profitieren seit Jahren von den herausragenden Bedingungen und der fachlichen Kompetenz vor Ort. Das 5-tägige Trainings- programm im Ries beinhaltet einen Mix aus Vorlesungen und Übungen zur Vermittlung der Grundlagen der Geologie und der feldgeologischen Arbeitsweise in Impaktkratern, zu Themen rund um den Erdmond und die Astrobiologie. Wichtige Lernorte waren vom 17. bis 21. Septem- ber 2023 das RiesKraterMuseum, eines von fünf SNSB-Regionalmuseen in Bayern, und das ZERIN mit seiner Sammlung aus Bohrkernen des Rieskraters sowie dem Isotopenlabor. Muse- umsleiter Prof. Dr. Stefan Hölzl begleitete die Astronaut:innen im Rahmen von insgesamt sechs Exkursionen zu aufschlussreichen Punkten im Ries sowie seinem Nachbarkrater, dem Steinheimer Becken. Im Gelände wurde Gelerntes praktisch geübt, vertieft und erweitert. Das PANGAEA-Astronautentraining der Europäischen Weltraumorganisation ESA findet auch in die- sem Jahr neben dem Nördlinger Ries in den italienischen Dolomiten sowie auf der Kanarenin- sel Lanzarote statt.

In diesem Jahr nahmen drei Astronaut:innen an der geologischen Schulungswoche im Nördlin- ger Ries teil: Der erfahrene ESA-Astronaut Thomas Pesquet, der im Rahmen zweier ISS-Expedi- tionen 2016/2017 und 2021 bereits längere Zeit im Weltraum verbracht hat. Der Franzose hält zwei europäische Rekorde: Einen über den längsten Aufenthalt eines Menschen im Weltraum (396 Tage und 11 Stunden), einen zweiten – mit 39 Stunden und 54 Minuten – für den längsten Außeneinsatz außerhalb der Raumstation. Pesquet ist zudem der erste ESA-Astronaut, der mit dem Raumschiff „Dragon“ des amerikanischen Unternehmens SpaceX zur ISS flog. Ebenfalls im Nördlinger Ries dabei war Takuya Onishi, Astronaut der japanischen Weltraumagentur JAXA, der 2016 insgesamt 115 Tage auf der ISS verbrachte. Dritte im Bunde war Jessica Witt- ner, eine Kampf- und Testpilotin der US-Navy, die 2021 unter 12.000 Bewerber:innen für die Astronautenausbildung der NASA ausgewählt wurde.

„Das Nördlinger Ries mit dem RiesKraterMuseum und dem ZERIN ist bis heute, mehr als 50 Jahre nach dem Training zweier Apollo-Teams der NASA vor ihrem Flug zum Mond, hochge- schätzter und etablierter Trainingsort für Astronaut:innen aus aller Welt“, freut sich Museums- leiter Prof. Dr. Stefan Hölzl auch in diesem Jahr wieder über seinen „Weltraumbesuch“.

Das Nördlinger Ries entstand vor etwa 15 Millionen Jahren bei der Kollision eines ca. 1 km gro- ßen Asteroiden mit der Erde. Glücksfall für die Geolog:innen: Der ca. 25 Kilometer große Krater war für die längste Zeit seiner Geschichte mit Ablagerungen des dort gebildeten Ries-Sees be- deckt. Deshalb und wegen seines in geologischen Dimensionen „jungen“ Alters gilt er heute als der am besten erhaltene komplexe Krater unter den insgesamt ca. 200 Impaktkratern dieser Erde. Das Nördlinger Ries ist daher ein einzigartiger Ort für Forschung und Lehre.

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfügung.

Kontakt:

Prof. Dr. Stefan Hölzl
RiesKraterMuseum Nördlingen
Tel.: 09081 84713
E-Mail: hoelzl@snsb.de

Vom Singvogel bis zum Kranich – die jungsteinzeitliche Vogeljagd in Obermesopotamien

München, 27.09.2023

Für Jäger-Sammler-Gemeinschaften aus Obermesopotamien, heutige Türkei, waren Vögel zu Beginn der Jungsteinzeit, ca. 9.000 Jahre v. Chr., eine wichtige Nahrungsquelle. Das zeigt eine neue Studie der SNSB- und LMU-Archäozoolog:innen Dr. Nadja Pöllath und Prof. Joris Peters. Die beiden Wissenschaftler:innen untersuchten die Überreste von Vögeln aus den beiden jungsteinzeitlichen Siedlungen Göbekli Tepe und Gusir Höyük in der heutigen Türkei und veröffentlichten ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Archaeological and Anthropological Sciences.

Neben großen und kleinen Säugetieren, vom Auerochsen bis zum Hasen, oder Fischen bejagten die Menschen in Südostanatolien vor 11.000 Jahren auch das gesamte Spektrum an Vogelarten. Gejagt wurden sie vor allem, aber nicht ausschließlich, im Herbst und Winter, d.h. dann, wenn viele Vogelarten größere Schwärme bildeten und Zugvögel das Gebiet durchquerten. Die Artenlisten sind daher sehr umfangreich: In der Ausgrabungsstätte der frühsteinzeitlichen Siedlung Göbekli Tepe etwa, rund 18 km nordöstlich der heutigen südanatolischen Stadt Şanlıurfa gelegen, fanden die Forscher:innen Überreste von 84 Vogelarten. Dr. Nadja Pöllath, Kuratorin an der Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-SPM) und Prof. Dr. Joris Peters, Inhaber des Lehrstuhls für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin an der LMU München sowie Direktor der Staatssammlung, identifizierten die jungsteinzeitlichen Vögel mit Hilfe moderner Vergleichsskelette aus der Referenzsammlung der Staatssammlung.

Überrascht hat die beiden im Falle von Göbekli Tepe die große Zahl von kleinen Singvögeln, darunter vor allem Stare und Ammern. Grundsätzlich haben die Jäger von Göbekli Tepe alle Lebensräume in der Umgebung ihrer Siedlung für die Vogeljagd aufgesucht. Gejagt wurde an Gewässern, in Wäldern sowie auch im offenen Gelände.

„Warum am Göbekli Tepe so viele kleine Sperlingsvögel bejagt wurden, wissen wir nicht genau. Aufgrund ihres geringen Lebendgewichts steht der Aufwand eigentlich in keinem guten Verhältnis zum Ertrag. Vielleicht waren sie einfach eine Delikatesse, die im Herbst den Speiseplan bereicherte, oder sie hatten eine Bedeutung, die wir aus den Knochenresten noch nicht ablesen können“, kommentiert Nadja Pöllath ihre Ergebnisse.

Die Bewohner von Gusir Höyük, einer ebenfalls frühneolithischen Siedlung am Ufer des Gusir-Sees, etwa 40 km südlich der heutigen Provinzhauptstadt Siirt, noch weiter im Südosten der heutigen Türkei, hielten es dagegen anders: Sie begrenzten ihre Vogeljagd auf nur zwei Arten: das Chukar-Steinhuhn (Alectoris chukar) und das Rebhuhn (Perdix perdix), die im offenen hügeligen Grasland zu Hause waren. Nahegelegene Flussauen und den See, an dessen Ufern die Siedlung lag, ignorierten sie offenbar, denn Überreste von Wasservögeln fanden die Münchener Forscher:innen in Gusir Höyük nicht. „Gusir Höyük ist die einzige uns bekannte jungsteinzeitliche Gemeinschaft in Obermesopotamien, die bei der Vogeljagd – obwohl vorhanden – bewusst Feuchtgebiete und Flusslandschaften mieden. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich dabei um eine kulturelle Eigenheit der am Gusir Höyük siedelnden Gruppe handelt“, so Prof. Joris Peters. „Im Vergleich mit anderen frühneolithischen Fundorten in der Region zeigten sich viele Gemeinsamkeiten zwischen den Orten im Euphratbecken, während im Tigrisbecken die Gemeinsamkeit darin besteht, dass fast jede Siedlung eine ganz eigene Strategie zur Nahrungsbeschaffung entwickelte“, ergänzt Nadja Pöllath.

Nicht alle Vögel wurden auch von den jungsteinzeitlichen Siedlern Obermesopotamiens gegessen. Manche Vogelarten wie z. B. Kraniche oder Greifvögel hatten wohl eher symbolische Bedeutung und könnten auch rituellen Zwecken gedient haben, vermuten die Forscher:innen. Solche soziokulturellen Aspekte der Beziehungen zwischen Menschen und Vögeln gilt es zukünftig zu untersuchen.

Ausgrabung Gusir Höyük. (Foto: J. Peters, LMU/SNSB-SPM)

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfügung.

Publikation:
Pöllath, N., Peters, J. Distinct modes and intensity of bird exploitation at the dawn of agriculture in the Upper Euphrates and Tigris River basins. Archaeol Anthropol Sci 15, 154 (2023)

Kontakt:

PD Dr. Michael Raupach
SNSB – Zoologische Staatssammlung München
Münchhausenstr. 21, 81247 München
Tel: 089 8107 145
E-Mail: raupach@snsb.de

Unter dem Scanner: Neuessinger Eiszeitskelett in 3D

München, 19.09.2023

Demnächst können Besucher:innen des Altmühltals in der neu geschaffenen Kultureinrichtung MEMU –  Essing den Eiszeit-Mann von Neuessing besichtigen. Von allen Skelettelementen des bereits 1913 geborgenen Individuums werden derzeit 3D-Scans angefertigt, die schließlich als 3D-Drucke zu einem dauerhaften Museumsexponat zusammengefügt werden sollen. Das 34.000 Jahre alte menschliche Skelett ist damit der Öffentlichkeit zugänglich, das Original kann aber weiter beforscht werden. Für die fachgerechte Aufbewahrung des Skelettfunds ist die Staatssammlung für Anthropologie zuständig, eine der sieben Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (https://snsb.de).. August 2023 erstmals auch als digitale Objekte im Netzwerk der deutschen Bibliotheken und Archive.

Die Staatssammlung für Anthropologie München (SNSB-SAM) beherbergt das 34.000 Jahre alte eizeitliche Skelett des „Mannes aus Neuessing“ – einer der wertvollsten prähistorischen Menschenfunde Bayerns. Das gut erhaltene Skelett ist somit fast 30.000 Jahre älter als die berühmte Gletschermumie Ötzi vom Hauslabjoch in den Ötztaler Alpen. Entdeckt wurden die Überreste 1913 bei archäologischen Ausgrabungen in den Klausenhöhlen in Neuessing bei Kelheim im Altmühltal. Der Fund ist eine Sensation, da es sich um eine der ältesten Bestattungen eines modernen Menschen in Europa handelt.

Aktuell erstellt Dr. George McGlynn, Oberkonservator an der Staatssammlung für Anthropologie München, mit Hilfe eines hochauflösenden 3D-Scanners ein digitales dreidimensionales Abbild des Neuessing-Skeletts. Ein durchaus zeitaufwändiges Unterfangen, denn der Wissenschaftler muss für die 3D Rekonstruktion des gesamten Skeletts jedes Knochenelement einzeln einscannen. „Alleine die Scans des mehrteiligen Fußskeletts haben einen ganzen Tag beansprucht. Da das Skelett des Eiszeitmanns nahezu vollständig erhalten ist, wenn auch teilweise in fragmentarischem Zustand, müssen hunderte Knochen bzw. Bruchstücke gescannt werden,“ so George McGlynn. Die digitale Rekonstruktion lässt sich schließlich dreidimensional ausdrucken. Bis zur Fertigstellung der druckreifen 3D-Scans sind allerdings noch mehrere Wochen Arbeitszeit am Rechner notwendig. So kann der Mann aus der Eiszeit zukünftig dauerhaft in einer Ausstellung in der im Juli 2023 eröffneten Kultureinrichtung MEMU (Mensch und Museum) – Essing bewundert werden. Die Originale verbleiben indessen in der Staatssammlung für Anthropologie in München. „Solch gut erhaltene Skelettfunde aus dieser Zeit sind extrem selten. Umso wichtiger ist deren Archivierung in einer wissenschaftlich betreuten Sammlung, wie der Staatssammlung für Anthropologie München. Viele Stücke bedürfen ganz spezieller Konservierungsmethoden, um sie zu erhalten und weiter erforschen zu können,“ so McGlynn weiter.

Im Vorfeld der 2022 gezeigten Ausstellung „Eiszeit“ im Rosenheimer Lokschuppen wurde von einer interdisziplinären Forschergruppe mit Beteiligung der Staatssammlung für Anthropologie München bereits intensiv mit modernsten Analysemethoden an dem Skelett geforscht. Die Präsentation der Ergebnisse der Untersuchungen zu Alter, Aussehen, Provenienz, Gesundheitszustand sowie Ernährung des Neuessing-Manns war eines der Highlights der Ausstellung, diese Befunde werden auch im MEMU – Essing vorgestellt. Derzeit werden an dem Skelett – neben den 3D Scans – unter anderem umfangreiche Restaurierungsarbeiten und weitere osteologische Untersuchungen sowie altDNA Analysen durchgeführt. George McGlynn von der Staatssammlung für Anthropologie erwartet viele weitere spannende Details zur Geschichte des Manns aus Neuessing.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Dr. George McGlynn
SNSB – Staatssammlung für Anthropologie München
Tel: 089 5488 438 12
E-Mail: mcglynn@snsb.de

Kontakt

Katja Henßel
SNSB – wissenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit
Tel: 089 17861 121
E-Mail: henssel@snsb.de

Langzeitseen als Motor für die Evolution von Süßwasserschnecken

München, 14.08.2023

In Millionen Jahre existierenden Langzeitseen entwickelten Süßwasserschnecken im Laufe der Erdgeschichte eine besonders große Vielfalt an Arten. Eine neue Publikation des SNSB-Paläobiologen Thomas A. Neubauer zeigt nun die Bedeutung dieser Ökosysteme für die Evolution von Süßwasserschnecken in einem globalen Maßstab und über geologische Zeiträume. Neubauer fasste die Entwicklungsgeschichte von Schnecken in Süßwasserökosystemen der letzten 340 Millionen Jahre zusammen. Die Analyse von Literatur und bisher verfügbaren Daten zu Verteilungen und Diversität von Arten im Laufe der Zeit führte zu einem neuen Verständnis von langlebigen Seen als Inseln der Evolution. August 2023 erstmals auch als digitale Objekte im Netzwerk der deutschen Bibliotheken und Archive.

Schnecken (Gastropoda) sind für Paläontolog:innen ein Glücksfall: Wegen ihrer harten Schale sind diese Tiere sehr häufig als Fossilien erhalten. Schnecken bilden daher eine bedeutende und gut vertretene Tiergruppe im Fossilbefund der Erdgeschichte. Die meisten Schneckenarten lebten im Meer, aber auch Fossilien von Land- und Süßwasserschnecken finden Paläontolog:innen häufig.

Thomas A. Neubauer, Konservator an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) stellte die bisher umfangreichste Datenmenge für fossile Süßwasser-schnecken in einer Übersicht zusammen, um Muster und Zusammenhänge in deren Entwicklungsgeschichte zu erkennen. Er analysierte die globale Aus- und Verbreitung von Arten von den frühen Anfängen im Steinkohlezeitalter (Karbon) vor rund 340 Millionen Jahren bis ins Eiszeitalter (Pleistozän) vor etwa 12.000 Jahren.

Die neue Studie zur Entwicklungsgeschichte von Süßwasserschnecken hat nun unter anderem gezeigt: Seen, die über hunderttausende oder mehrere Millionen Jahre in der Erdgeschichte existierten, waren für Schnecken ein Motor für deren Evolution. In den sogenannten Langzeitseen entwickelten die Schnecken eine ganz besonders große Vielfalt an Arten, oftmals mit speziellen morphologischen Anpassungen. Ein Beispiel aus der jüngeren erdgeschichtlichen Vergangenheit ist der Pannon-See, der sich etwa vor 11,6 bis 4,5 Millionen Jahren zwischen Österreich im Westen und Rumänien im Osten erstreckte. Zur Zeit seiner größten Ausdehnung bedeckte der See eine Fläche von etwa zwei Dritteln der Fläche Deutschlands. Dieser Paläo-See überliefert die bis-her höchste bekannte Vielfalt an Süßwasserschnecken weltweit. Während den über sieben Millionen Jahren seines Bestehens war der Pannon-See Heimat von etwa 580 Schneckenarten und brachte viele einzigartige Evolutionslinien hervor. Auch heute noch existierende Langzeitseen wie etwa der Ohridsee auf der Balkanhalbinsel, der Baikalsee in Sibirien sowie der Malawi- und Tanganyika-See in Ostafrika sind vergleichbare Inseln der Evolution.

„Diese seltenen Ökosysteme sind Archive der Evolution“, sagt Neubauer. „Durch ihre Langlebigkeit – wir sprechen von oft mehreren Millionen Jahren – unterscheiden sie sich deutlich von den meisten anderen Seen, die oftmals nur wenige Tausend Jahre alt sind. Sie erlauben einen genaueren Blick in die Veränderung von Arten durch die Zeit. Zeit spielt für die Evolution dabei die entscheidende Rolle. Nur in langlebigen Ökosystemen haben Arten genug Zeit zu ‚experimentieren‘. Die außergewöhnlichsten Beispiele für morphologische Veränderungen, besondere ökologische Anpassungen oder Größenzunahmen in Schnecken kommen aus Langzeitseen. Ähnliche Beispiele gibt es auch für viele andere Tiergruppen.“

Langzeitseen haben die Diversität und Verbreitung von Süßwassergastropoden weltweit beeinflusst. Ihre Entstehung und Langlebigkeit sind von tektonischen und klimatischen Prozessen über Millionen von Jahren bestimmt. Diese alten Ökosysteme sind seltene und wichtige Inseln für die Entwicklung von Süßwasserorganismen – laut Neubauer eine sogenannte „ökologische Gelegenheit“, in der sich Tiere und Pflanzen über lange Zeiträume ungestört entfalten konnten und dies auch heute noch tun.

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfügung.

Publikation:

Neubauer, T.A. (2023), The fossil record of freshwater Gastropoda – a global review. Biol Rev. https://doi.org/10.1111/brv.13016

Kontakt:

Dr. Thomas A. Neubauer
SNSB – Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie
Richard-Wagner-Straße 10, 80333 München
Tel: 0049 (0)89 2180 6541

E-mail: neubauer@snsb.de

Lange Nacht der Münchner Museen

Samstag, 14. Oktober 2023, 18:00 – 1:00 Uhr

Luisenstraße 37 und Richard-Wagner-Straße 10,
Haltestelle Königsplatz

Das Paläontologische und das Geologische Museum München beteiligen sich im Oktober in bewährter Form an der Langen Nacht der Münchner Museen.

Besuchen Sie das Paläontologische Museum und lassen Sie sich in die Entwicklungsgeschichte des Lebens entführen! Highlights sind der Urvogel Archaeopteryx, das Paradebeispiel der Evolution, der Mühldorfer Urelefant sowie die neue Sonderausstellung Tintenfische, Teufelsfinger und Tentakel – die faszinierende Welt der Kopffüßer. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen in ungezwungener Atmosphäre bereit, um Ihre Fragen zu beantworten. An der „Paläo-Bar“ kann der Durst gestillt werden..

Das Geologische Museum präsentiert Wissenswertes aus der Welt unter unseren Füßen. Bei der bewährten Weinprobe kann man an verschiedenen Weinen herausfinden und -schmecken, was Wein und geologischer Untergrund miteinander zu tun haben. Die Dauerausstellungen Bayerns steinige Geschichte, Geologische Prozesse und Kreisläufe, Erdkruste im Wandel, Steine begreifen und Rohstoffe informieren über die Geschichte unserer Erde. Spannende Filme zu Geo-Themen sorgen für Kurzweil.

Bayerns digitale Schatzkammer bavarikon macht kunstvolle Pilz- welt der Botanischen Staatssammlung München für alle zugänglichSchieferdecker und Wohlfarth

München, 31.08.2023

In Kooperation mit dem Team von bavarikon an der Bayerischen Staatsbibliothek konnte die Bo- tanische Staatssammlung München (SNSB-BSM) nun zwei wertvolle Pilzaquarellsammlungen im Internetportal des Freistaats Bayern einem breiten Publikum zugänglich machen. Die Illustra- tionen der beiden Künstler und Pilzkenner Konrad Schieferdecker und Dr. Fritz Wohlfarth sind nicht nur wissenschaftlich bedeutend, sondern gleichzeitig ein einzigartiger Kunst- und Kultur- schatz: Die Informationen waren bisher nur über die internationalen Portale der Naturwissen- schaften einzusehen und erscheinen nun seit August 2023 erstmals auch als digitale Objekte im Netzwerk der deutschen Bibliotheken und Archive.

Die rund 3.300 wissenschaftlichen Illustrationen werden an der Botanischen Staatssammlung München betreut. Eine erste digitale Erschließung erfolgte bereits im Jahr 2000 mit einem ei- genen Internetportal. Die digitalen Objekte gehören auch zu den ersten botanischen Wissens- objekten, die über die international bekannten Biodiversitätsdatennetzwerke wie der Global Bio- diversity Information Facility (GBIF) bereitgestellt werden. Auf Initiative des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst organisierten nun die Datenwissenschaft- ler:innen und Software-Entwickler:innen des SNSB IT Zentrums die Transformation der Daten zur Integration der beiden digitalen Sammlungen von Pilzaquarellen von Konrad Schieferde- cker (1902 – 1965) und Dr. Fritz Wohlfarth (1906 – 2005) in die Infrastruktur des Internetportals bavarikon.

bavarikon ist das Internetportal zu Kunst, Kultur und Landeskunde des Freistaats Bayern. Es macht das vielfältige kulturelle Erbe Bayerns weltweit kostenlos zugänglich und richtet sich so- wohl an die kulturinteressierte Öffentlichkeit als auch an wissenschaftliche Nutzer:innen. Mitt- lerweile stehen über 440.000 Inhalte von über 150 Kultureinrichtungen online zur Verfügung. Darunter sind jetzt auch die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns als da- tenliefernde Institution mit der Botanischen Staatssammlung München als bestandshaltende Abteilung. bavarikon ist ein Gemeinschaftsprojekt des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Staatsministeriums für Digitales. Die Bayerische Staatsbibliothek trägt den laufenden redaktionellen, technischen und organisatorischen Betrieb.

Die Botanische Staatssammlung München beherbergt rund 3,2 Millionen Objekte, hauptsäch- lich getrocknete Pflanzen, Pilze und Flechten. Die Pilzaquarell-Sammlungen Schieferdecker und Wohlfarth nehmen dabei einen speziellen Platz ein, da sie viele heimische Pilzarten mit ih- rem Aussehen und detailreichen Strukturen und Merkmalen ebenso wie Zeit und Ort des Fun- des dokumentieren. „Mit den beiden Sammlungen werden 3.300 großartige Werke der wissen- schaftlichen Botanischen Malerei in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts präsentiert. In den naturalistisch korrekten Darstellungen wird das handwerklich-künstlerische Geschick von Schieferdecker und Wohlfarth – kombiniert mit deren fachwissenschaftlicher Expertise – deut- lich“, erklärt Dr. Dagmar Triebel, verantwortliche Sammlungskuratorin und Leiterin des Digitali- sierungsprojekts.

Bereits seit Carl von Linné spielt beim Anlegen von Herbarien bzw. Fungarien, Sammlungen ge- trockneter Pflanzen und Pilze, die bildliche Dokumentation von Gestalt und Aussehen der Ob- jekte im Lebendzustand eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu anderen botanischen Objekten verlieren Pilze beim Trocknen sowohl Form als auch Farbe. Zur Identifikation der Arten anhand ihres Aussehens sind dann, neben den getrockneten Exemplaren, Bilder notwendig.

„Mit der breiten Einführung der Farbfotografie in den 1970er Jahren werden den Sammlungs- objekten an der Botanischen Staatssammlung München nur noch selten kunstvolle Aquarelle beigefügt“, bedauert Frau Prof. Gudrun Kadereit, Direktorin der Botanischen Staatssammlung sowie des Botanischen Gartens München-Nymphenburg. „Umso wichtiger sind die Digitalisie- rung und Bewahrung bereits vorhandener Bilder. In der Kombination mit der korrekten Identifi- kation der dargestellten Sippen können sie Wissensschätze sein, die gerade durch ihre präzise Darstellung, Detailreichtum und naturalistische Fokussierung auf relevante Merkmale aktuell neue Bedeutung im Zeitalter von KI erlangen“.

Die Plattform bavarikon erlaubt nun auch interessierten Bürger:innen außerhalb der biologi- schen Forschergemeinschaft diese kunstvolle digitale Pilzwelt von rund 1.600 heimischen Ar- ten zu nutzen. Die Realisierung der technischen Anbindung an bavarikon eröffnet neue Koope- rationsmöglichkeiten zum technischen Datenaustausch zwischen Bibliotheks­ und Archiv- diensten einerseits und Diversity Workbench-basierten Datenrepositorien naturwissenschaftli- cher Forschungssammlungen andererseits.

Die Botanische Staatssammlung München gehört zu den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB). Sie wurde 1813 als „Herbarium Regium Monacense“ (Königli- ches Münchner Herbar) durch König Max I Joseph und die Bayerische Akademie der Wissen- schaften gegründet, und umfasst heute mehr als 3,2 Millionen Herbarbelege – darunter auch einzelne sehr alte Belege, die zum Teil sogar aus dem späten 17. Jahrhundert stammen.

Links:

Aquarelle von Dr. Fritz Wohlfarth

Aquarelle von Konrad Schieferdecker

https://bsm.snsb.de
https://www.bavarikon.de

Kontakt:

Dr. Dagmar Triebel
SNSB Botanische Staatssammlung München & SNSB
IT Zentrum Tel.: 089 17861 252
E-mail: triebel@snsb.de

Die Bilder stehen ausschließlich zur redaktionellen Berichterstattung zum Thema dieser Pressemitteilung zur Verfügung.